Welch ein Segen es für mich ist, einen Garten zu haben. Als ich gestern einkaufen war, standen mehrere Erdbeersorten zum Verkauf. Ich zögerte nicht lange. Da ich auf dem Dorf mit großem Garten aufgewachsen bin und mich sehr gut an heiße Nachmittage erinnere, an denen ich von meiner Mutter mit einer leeren Schüssel in den Garten geschickt wurde, Erdbeeren zu pflücken, war für mich klar, ich werde mir dieses Jahr ein Erdbeerbeet anlegen.

Selbstgeerntete, frisch gepflückte Früchte sind so viel geschmacksintensiver. Vom Glück, aus der Küche in den Garten zu gehen und frische Nahrung zu sammeln, ganz abgesehen. Wenn ich an die Momente im Erdbeerbeet als Kind denke, kommen da eine Menge Erinnerungen hoch. Einerseits genervt von den Eltern, die, statt selbst zu gehen, schnell mal ihre Kinder die lange Treppe raus in den Garten schicken, anderseits der überwiegende Anteil an Freude.
Mit jedem Schritt auf den zerhäckselten Holzstücken, die die Oberfläche des Beetes bedeckten, knisterte es. Das Rascheln des Holzes unterschied sich vom Rascheln der Blätter, die ich mit meiner Hand streifte, um die Sicht auf die Früchte freizulegen. In manchen Jahren war der Ertrag einer einzigen Pflanze schon so groß, dass ich eine gefühlte Ewigkeit bei einer Pflanze verbrachte. Jede einzelne Erdbeere, die mich mit ihrer Lebensfreude anstrahlte, abzupflücken, bevor ich überhaupt zur nächsten Staude übergehen konnte, dauerte Zeit, da ich mehrmals die Blätter sowie die unreifen Früchte beiseiteschieben musste, um die Sicht freizulegen. Und so war ich manchmal fast eine halbe Stunde damit beschäftigt, die Ernte einzuholen. Mit überlaufender Schüssel rannte ich dann begeistert wieder ins Haus, die Treppe hoch in die Küche und half dabei, die Erdbeertorte mit Buttercreme zuzubereiten, um sie dann wieder via Tablett mit Geschirr in den Garten hinunter zu tragen.

Nun bin ich älter, habe meinen eigenen, noch größeren, verwilderten Garten und stehe vor der Möglichkeit, mir selbst so ein Beet anzulegen. Ich zögere nicht lange und schnappe mir zwei Stiegen mit jeweils 6 Pflanzen der Sorten Ostara und Sonata. Was mir die Sorten über die Früchte sagen soll, weiß ich nicht, finde aber die Vorstellung einer Erdbeersonate zu Ostern sehr schön und fahre mit meiner neuen Errungenschaft nach Hause.

Dann beginnt eigentlich erst die ganze Arbeit. Da ich keine vorhandenen Beete habe, liegt es nun an mir, welche anzulegen. Die Vorstellung von einem klassischen rechteckigen „Kastenbeet“ mochte ich nicht, also dachte ich an die Ritter der Tafelrunde und fing an, einen Kreis aus der Wiese auszustechen. Allein das Abtragen der oberen Wiesenschicht dürfte mich eine Dreiviertelstunde gekostet haben. Mit massivem Kraftaufwand grub ich meinen schönen Erdkreis um. Die Wurzeln des Sauerampfers reichten tief und dick bis weit unter die ein Meter Grenze in den Boden hinab. Wo die Wurzeln ihren Ursprung haben, werde ich wohl nie erfahren.

Wie ein Maulwurf buddelte ich mich durch die 3 Quadratmeter Erde und hegte erschöpft die Vorstellung, dass das sehr große Erdbeeren sein müssen, die ich da ernten möchte, bei diesem immensen Aufwand. Doch ich lachte über mich selbst. Ich wollte das alles: den Garten, die damit verbundene Arbeit und am Ende war ich megaglücklich über dieses Tagewerk. DAS ist ehrliche Arbeit. Mein Kopf war wieder gründlich durchgepustet worden und eine Relation zu Essen, dass „schnell mal“ im Supermarkt gekauft wird auch. Um im Frühjahr den Genuss einer vollreifen puterroten Erdbeere genießen zu können, steht dem einiges an Arbeit vorneweg.

Und wenn ich dann in einigen Wochen, wie früher als kleines Mädchen mit meiner Schüssel aus der Küche in den Garten zu meinen Rittern der Tafelrunde gehe werde, werde ich mich freuen. Wenn ich die Früchte dann greifen und abknipsen werde, werden mir die Moleküle ihrer Reife an den Nasenhaaren kitzeln, wie es keine gekaufte Erdbeere kann.

Darauf freue ich mich schon jetzt.

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